The nerd's testament

Heute ist zur Abwechslung mal eine wirklich spannende Frage aufgekommen:

Was passiert eigentlich mit meinem Nerdkram wenn ich das Zeitliche segne?

Und Nerdkram hab ich ne Menge. Diverse Domains, mehrere Server, mehrere Dutzend wichtige Accounts und nochmal so viele unwichtige. Da ist im Lauf der Jahre so viel Zeugs zusammengekommen - und es wird wohl noch mehr werden, je länger ich lebe - wer soll so ein "Vermächtnis" übernehmen, geschweige denn verwalten?

Die naheliegendste Idee ist ja, die Zugangsdaten aller Accounts in ein Testament zu packen und das bei einem Notar zu hinterlegen. Doch was dann? Soll ich etwa, jedesmal wenn ich ein Passwort geändert habe, zum Notar rennen und das Testament updaten? Mal vom finanziellen Aspekt ganz abgesehen - ich werde das nicht tun, schon weil ich da gar nicht dran denken werde.

Aber sagen wir mal, ich mach mich vom Acker und wer auch immer mich beerbt, kriegt dann diese Accountliste. Wunderbar. Was soll der oder die dann damit machen? Soweit ich heute schon sagen kann, wer mich mal beerben wird, muss ich feststellen, dass keiner von denen auch nur einen Hauch einer Ahnung von der Materie hat. Und Ahnung ist dafür nötig.

Da müssten zum Beispiel Domains gekündigt werden. Dafür muss man das Webinterface meines Haus- und Magen Domainverwalters bedienen können. Aber man muss beachten, dass man vorher die Accounts wegräumt, bei denen eine Emailadresse unter einer der zu kündigenden Domains hinterlegt ist (das heisst: ALLE). Und vieles, wenn nicht alles, von diesen Sachen läuft rein elektronisch ab. Per Mail zum Beispiel.

Ich lese meine Mails mit mutt. Direkt am Server. Da gibts keine "Zugangsdaten" für meine Mails. Und mutt ist heute schon, im Jahre 2012, fast schon als Anachronismus zu bezeichnen. Kein Nicht-Nerd benutzt es, bzw. hat überhaupt je davon gehört. Weiss der Geier, wie die Lage im Jahre 2050  oder so sein wird. Und eines steht schon mal fest: was auch immer betriebssystem- oder rechnertechnisch in den nächsten Jahrzehnten passieren mag: ich werde unter allen Umständen mutt benutzen, solang ich atmen kann. Und wenn ich am Ende der einzige Trottel bin, der mit irgendwelcher Uralthardware unterwegs ist!

Schon unter dem Aspekt kann ich da nur schwarz sehen.

Und was ist mit der von mir veröffentlichten Software? Das ist noch viel haariger. Da muss ein neuer Maintainer gefunden werden. Wie soll ein Dau sowas anstellen? Eine Perlmailingliste abonnieren ohne je etwas von Perl gehört zu haben? Oder im Githubaccount irgendwie irgendwas posten, damit es einer erfährt - ohne zu wissen, welchem Zweck Github dient?

Ist das gruselig oder was?

Die wahrscheinlich beste Strategie dürfte es sein, noch zu Lebzeiten selber wenigstens halbwegs aufzuräumen. Aber wann soll ich damit anfangen? Wenn ich in Rente gehe (sofern es das Konzept "Rente" überhaupt noch gibt, wenn ich mal in dem Alter bin!)? Oder lieber schon demnächst? Morgen? Ein Alptraum, je länger man drüber nachdenkt.

Und es kommt noch besser. Was, wenn ich senil werde, bevor ich angefangen hab, aufzuräumen? Oder Alzheimer kriege? Und im Altersheim lande wo ich die Pfleger mit Shellbefehlen in den Wahnsinn treibe?

Es kann natürlich sein, dass dieser Bereich des Lebens, der heute noch eine kleine Nische ist, im Laufe der Zeit - so wie vieles - auch noch "digitalisiert" werden wird. Vielleicht wird es "Internetnotare" geben, die sich um digitale Hinterlassenschaften kümmern?

Update 2013-04-12:

Google ist der (soweit ich weiss) erste Internetanbieter, der jetzt ein Timeout-Feature für persönliche Daten anbietet. Man kann einstellen, dass zum Beispiel nach einem Jahr Inaktivität der Account und alle Daten gelöscht werden. Oder, dass die Zugangsdaten einer vorher festgelegten Vertrauensperson zugestellt werden. Klasse Idee. Aber leider wäre das nur auf Google beschränkt. Üblicherweise hat man ja ein paar mehr Accounts, siehe oben. Eine echte Lösung ist für das Problem also noch nicht wirklich in Sicht.

#geschwätz

↷ 09.07.2012