Walled Garden Wissenschaft

Immer mal wieder rege ich mich über Paywalls auf, die mich daran hindern, die eine oder andere Studie anzuschauen. Aktueller Fall ist eine Studie über die Evolution der sexuellen Fortpflanzung.

Aufmerksam geworden bin ich über eine Pressemitteilung des IDW auf die Studie: Die Evolution der sexuellen Fortpflanzung. Das fand ich spannend und ergoogelte mir sogleich die Studie, die hier zu finden ist: Hydra meiosis reveals unexpected conservation of structural synaptonemal complex proteins across metazoans (doi: 10.1073/pnas.1206875109).

Und was wird da angezeigt:

Purchase Short-Term Access

Ärgert mich das? In der Tat!

Da es aber diesmal Studie deutscher Wissenschaftler ist, lässt sich besser herausfinden, wer die bezahlt hat. Gucken wir mal, in der Pressemitteilung findet sich schon ein Hinweis:

Die Forschungsarbeiten in Würzburg werden vom Schwerpunktprogramm 1384 „Mechanisms of Genome Haploidization“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Die Arbeitsgruppe ist Mitglied des Programms seit der Gründung im Jahr 2009. [Hervorhebung durch mich]

Die DFG also. Kenn ich nicht. Google aber. Es handelt sich um einen Verein, der als solcher natürlich auch offenlegen muss, von wem er seine Gelder bekommt, als da wären:

Die DFG erhält ihre finanziellen Mittel zum größten Teil von Bund und Ländern, die in allen Bewilligungsgremien vertreten sind.

Und woher der Bund und die Länder ihre Gelder bekommen, ist hinreichend bekannt: vom Steuerzahler. Das schliesst mich ein. Es handelt sich also bei diesen Forschungsergebnissen um ein öffentliches Gut, da von öffentlicher Hand finanziert. Trotzdem darf eine US-amerikanische Entität (es handelt sich um ein Organ der National Academy of Sciences. Wer da wie was an Geld verdient und/oder was mit dem Geld geschieht, hab ich nicht herausgefunden) mit von deutschen Steuerzahlern finanzierten Forschungen Geld verdienen.

Na fein. Dann schreiben wir mal eine Email an die Herren Wissenschaftler und fragen die. Sofern ich eine Antwort bekomme, gibts ein Update.

Update 2015-07-28:

Ja, ist schon eine Weile her. Es ist weiter bisher nichts passiert. Daher habe ich mir den Zugang zu der Arbeit auf andere Weise beschafft. Freiheit der Wissenschaft? Wissen für alle? My Ass.

Update 2012-10-24:

Nun, auch deren "Präsidialbüro" hat nicht reagiert und auch von den angeschriebenen drei Wissenschaftlern kam bisher nichts. Ich habe den Fall daher dem L und dem L vorgetragen. Nicht, dass ich mir davon viel erwarten würde. Aber versuchen kann man es ja.

Aus dem gleichen Grund veröffentliche ich jetzt auch die Mail, die ich ursrünglich an die Wissenschaflter geschrieben hatte:

> Date: Freitag, 28. September 2012 14:32
> To: johanna.fraune@uni-wuerzburg.de;
>      alsheimer@biozentrum.uni-wuerzburg.de;
>      benavente@biozentrum.uni-wuerzburg.de
> Subject: Warum haben Sie die Studie "Die Evolution der
>               sexuellen Fortpflanzung" bei PNAS veröffentlicht?
> 
> Hallo,
> 
> ich bin über eine Pressemitteilung beim IDW auf Ihre Studie
> aufmerksam geworden:
> http://idw-online.de/pages/de/news498662. Ich fand das
> äusserst interessant und wollte mir die Studie durchlesen.
> Anhand der doi Nummer konnte ich die Stude bei PNAS auch
> finden, allerdings benötigt man, um darauf zugreifen zu können,
> eine kostenpflichtige Subscription, die ich nicht habe.
> 
> Nun habe ich herausgefunden, dass Ihre Forschung vom DFG
> finanziert wurde, der wiederum von Bund und Ländern - also
> dem Steuerzahler - finanziert wird. Daher finde ich es ein wenig
> befremdlich, wenn Sie Ihre aus Steuermitteln finanzierten
> Forschungsergebnisse hinter einer Paywall verbergen.
> 
> Um Ihnen meinen Standpunkt zu verdeutlichen: ich bin kein
> Wissenschaftler, ich bin lediglich ein interessierter Bürger, der
> sich hin und wieder mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen
> beschäftigt und der es auch gerne mal genauer wissen will. Ich bin
> aber auch werktätiger Familienvater und kann es mir nicht leisten,
> für 1 Artikel 10 oder 20 Dollar zu bezahlen oder gar meherere
> Hundert im Jahr.
> 
> Für andere Wissenschaftler Ihres Fachgebiets, jedenfalls solche,
> die an Universitäten organisiert sind, dürfte eine Veröffentlichung
> bei PNAS sicher kein Problem darstellen, da solche Institute
> üblicherweise über derartige Subscriptions verfügen. Für den
> Rest der Welt ist Ihre Studie aber praktisch nicht vorhanden.
> 
> Ich würde sehr gerne wissen, warum Sie die Studie bei PNAS
> veröffentlicht haben. Zumal es gerade in Ihrem Fachgebiet eine
> Alternative gäbe: L.
> Insbesondere, da Ihre Forschung mit Steuermitteln
> finanziert wurde, sollten die Ergebisse frei verfügbar sein.
> 
> Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin kein Vertreter einer
> angeblich grassierenden "Kostenloskultur" im Internet. Mir ist
> durchaus klar, dass die Herausgabe einer wissenschaftlichen
> Zeitschrift mit Arbeit und daher auch mit Kosten verbunden ist.
> Ich habe auch ein Abonnement einer wissenschaftlichen
> Fachschrift (allerdings aus einem anderen Fachgebiet). Das
> heisst, grundsätzlich hätte ich kein Problem damit, für solche
> Dinge zu bezahlen. Aber nicht solche Summen für 1 Artikel!
> Und da ich ein Laie bin, werde ich wahrscheinlich ohnehin
> nur die Hälfte der Studie verstehen, womöglich überfliege ich
> sie nur und es bringt mir gar nichts. Dafür gebe ich nicht
> solche Summen aus. Zumal ich als Steuerzahler ja ohnehin
> schon mit meinen Steuern zur Finanzierung Ihrer Arbeit
> beigetragen habe.
> 
> Also ich wäre Ihnen sehr verbunden, mir das zu erklären, weil
> es mir ein absolutes Rätsel ist, warum Wissenschaftler so etwas
> tun. Am Peer Review kann es kaum liegen, den bietet PLOS
> auch an.
> 
> Aufgrund Ihrer Veröffentlichung sieht es jedenfalls so aus, dass
> ich nach wie vor auf dem alten Wissensstand bin: dass sich die
> sexuelle Evolution mehrmals parallel entwickelt hat. Sie behaupten
> etwas anderes, aber Ihre Beweise sind für mich nicht verfügbar.
> Ob das der Sinn der Übung ist, wage ich zu bezweifeln.
> 
> 
> Ein Hinweis noch: ich habe die Problematik in einem Blogposting
> veröffentlicht:
> /blog/2012/09/27/174/walled-garden-wissenschaft/.
> Sofern Sie mir tatsächlich antworten und dem nicht ausdrücklich
> widersprechen, werde ich Ihre Antwort dem Artikel hinzufügen.
> 
> 
> 
> 
> mit freundlichen Grüssen,

Die Wissenschaflter sind:

  • L
  • L
  • L

Update 2012-10-17:

Alle Achtung, vom DFG hab ich gleich eine Antwort bekommen. Sie lautet sinngemäß, dass der DFG seinen Projektnehmern L, aber dass es letztlich die Entscheidung der Wissenschaftler ist, wo sie veröffentlichen. Im Unterschied zu Österreich, wo Wissenschaftler sogar dazu verpflichtet sind, via Open Access zu veröffentlichen, wenn sie öffentlich gefördert worden sind.

So erfreulich die schnelle Antwort zwar ist, wirklich weiter bringt mich das nun auch nicht...

Update 2012-10-17:

Tja. Nun ist schon über ein halber Monat vergangen und ich habe weder von der Pressestelle, noch von einem der Wissenschaftler etwas gehört. Somit schreibe ich jetzt mal die DFG und deren Präsidialbüro an.

Update 2012-10-01:

Oh, hab ich nicht gemerkt, aber die Pressestelle hat exakt 8 Minuten nach meiner Mail schon geantwortet. Sehr nett, und auch nett geschrieben. Zusammengefasst: natürlich kann die Pressestelle nicht viel dazu sagen, warum ein Wissenschaftler wo etwas veröffentlicht. War mir durchaus klar. Aber immerhin hat er zugesagt, mal zu schauen, ob er die Wissenschaflter kontaktiert kriegt und zu einer Aussage bewegen kann. Find ich toll.

Update 2012-10-01:

Wie zu erwarten kam bisher noch keine Antwort. Die mag womöglich noch in den nächsten Wochen eintrudeln, es gerüchtet, dass es immer noch Leute gibt, die EMails immer erst nach ein paar Wochen beantworten. Vielleicht bin ich auch zu ungeduldig. Wie dem auch sei, nun habe ich die Anfrage an die L weitergeleitet.

Nächste Station wäre dann das L. Was auch immer das sein mag, klingt aber höhergeordnet.

Update 2012-09-28:

Die verantwortlichen Wissenschaftler habe ich angeschrieben. Während ich auf eine Antwort warte, habe ich hier noch einen Artikel von Professor Hugh Gusterson im Chronicle gefunden, der u.a. L:
The open-access debate has focused mainly on the exorbitant fees for-profit publishers charge libraries for bundles of journal subscriptions, but I am struck by what they charge ordinary citizens to read my individual articles.
[..]
For example, anyone without access to a university library who wants to read a nine-page article I wrote (free) for the Bulletin of Atomic Scientists last year will have to pay Sage $32 to get electronic access to it for one day—more than it would cost to buy and keep a printed copy of either of my most recent books. Needless to say, Sage passes none of the $32 on to me.
Mein Reden.

Kommt noch besser. Es stellt sich heraus, dass die Wissenschaftler, die den Peer Review für bei solchen komerziellen Journalen durchführen, dafür nicht einmal bezahlt werden:
Another reason the commercial behemoths are so profitable is that their high prices are paired with the free labor of thousands of academic referees like me. Publishers can assure the quality of their products only if highly trained experts examine the articles on the academic production line and pick out the 10 percent to 20 percent that meet the highest standards for excellence. Without this free labor, the publishing companies' entire enterprise would collapse.
Der Professor schlägt vor, diesen Verlagen den Peer Review in Rechnung zu stellen. Das wäre eine Idee, die andere wäre, nur noch OpenAccess zu unterstützen, und zwar sowohl als veröffentlichender Wissenschaftler und als Peer-Reviewender.

#gesellschaft

↷ 27.09.2012