Eine Tüte Mitleid für Werner Koch

Bei Propublica ist ein Artikel über Werner Koch, dem GNUPG Entwickler erschienen, weil er pleite ist. Dem Artikel ist zu entnehmen, dass der Mann offensichtlich keinen Job hat und nur von den GNUPG Spenden lebt, seine Frau hat auch keine Arbeit.

Ich muss Fefe vollumfänglich Recht geben: mein Mitleid hält sich in Grenzen. Was mich am meisten daran stört ist diese unsägliche Weltanschauung, dass man für so etwas bezahlt werden müsse. Das ist Unsinn. Warum sollte der Mann für GNUPG bezahlt werden? Er hat es als Opensource und kostenlos veröffentlicht und damit hat sich Thema Bezahlung erledigt. Ja, zufälligerweise wird die Software von Hunderttausenden Menschen weltweit verwendet. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es Opensource ist. Daraus ergibt sich kein "Recht auf Bezahlung".

Ich mache das so, wie Fefe es auch beschreibt: ich habe einen Job, von dem ich gut leben kann. Opensource Entwicklung mache ich in meiner Freizeit und ich WILL dafür kein Geld haben. Was viele nämlich nicht sehen, ist dass ich als Entwickler nämlich derjenige bin, der bezahlt. Ich benutze eine Menge Opensource: FreeBSD, OpenSSH, OpenSSL, Emacs, Bash, GCC, Postfix, Apache, PostgreSQL, Django, Perl, Python, FFmpeg, Xmonad, Firefox und so weiter und so fort. In jedem einzelnen dieser Projekte stecken zum Teil zig Tausende Manntage Entwicklerarbeit. Musste ich dafür was bezahlen? Nein. Aber indem ich ebenfalls Opensource Software veröffentliche, gebe ich etwas zurück. Ich leiste sozusagen meinen Beitrag. Der mag angesichts der erwähnten Giganten bescheiden sein, ja. Aber ich tue das ja primär, weil es mir Spass macht.

Das ist bei Werner Koch auch nicht anders. Er nutzt ebenfalls Opensource Software, sonst könnte er gar nicht an GNUPG arbeiten. Mit seinem Projekt leistet er seinen Beitrag, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dafür gebührt ihm Dank und Ehre, ohne Zweifel. Aber Geld? Nein, auf keinen Fall.

Hinzu kommt, dass Koch schon diverse Male von hoher Seite unterstützt wurde, unter anderem von der Bundesregierung. Welcher Opensourcler kann das schon von sich behaupten. Aber weil er keinen Job hat, reicht das natürlich nicht. Dass Propublica ihn bei dem Gejammer unterstützt ist eher traurig. Laut dem Artikel hat er inzwischen diverse Sponsoren gefunden: Facebook (von denen würde ich keinen Cent annehmen) und Stripe. Bemerkenswerte Konversation mit Stripe:

Kenn White:
@stripe @gnupg no strings attached? (serious question)


Stripe:
@kennwhite @gnupg Nope.

Klar.

Auf ein Detail in dem Artikel möchte ich noch eingehen, das den zugrundeliegenden Denkfehler sehr schön veranschaulicht:

The fact that so much of the Internet's security software is underfunded is becoming increasingly problematic. Last year, in the wake of the Heartbleed bug, I wrote that while the U.S. spends more than $50 billion per year on spying and intelligence, pennies go to Internet security.

Auch in den Kommentaren zum Artikel gibt es viele Leute, die sich darüber beklagen, dass die US Regierung kaum Geld für Opensource Crypto ausgibt. Liebe Leute, Software wie GNUPG, OpenSSL oder OpenSSH hat vor allem einen Zweck: uns vor der Regierung zu schützen. Wieso sollten wir also von irgendeiner Regierung Geld dafür verlangen, damit wir vor ihr geschützt werden können? Das ist doch absurd.

Opensource ist eine Idee, kein Geschäftsmodell. Die Idee ist, mit den Mitteln, die man hat, zu versuchen die Welt zu verbessern. Seit wann müssen Leute, die die Welt verbessern, dafür bezahlt werden? Wenn man das will, muss man in die Wirtschaft gehen, ein Unternehmen gründen und seine Software verkaufen. Oder eben den Schritt wagen, seine Zeit, Nerven und Resourcen zu opfern für eine grössere Sache. Wovon man während dieser Zeit lebt, ist jedoch eine ganz andere Frage, mit der die Nutzer der Software nichts zu schaffen haben. Ja, die Welt ist hart und gemein. Ja, es wäre schöner, wenn man einfach machen könnte, was man gerne mag und irgendwie automatisch davon leben könnte. Aber so ist die Welt nicht und nicht nur Werner Koch ist davon betroffen, sondern wir alle.

Das heisst: es ist mir scheissegal, wovon Werner Koch's Mittagessen bezahlt wird. Das ist sein eigenes Problem, um das er sich verdammt nochmal selber kümmern muss. Um mein Mittagessen muss ich mich auch selber kümmern. Wie kann man sich nur auf diese Weise selbst erniedrigen, unmöglich.

Update 2015-02-08:

Es gibt noch einen Nachtrag bei Fefe::
Und dann schmeißt Werner Koch die geschenkten $100k den Patch weg und ich pflege 9 Jahre lang meinen Patch parallel weiter. Und Werner Koch winselt dann herum, dass er nicht versteht, wieso ihm keiner Geld nachwirft.

Das liegt daran, dass Werner Koch das Problem ist, nicht die Lösung. Werner Koch macht mit dem Code keine Wartung, eher eine Geiselnahme. Denn wer will schon gnupg forken. Wir kriegen ja schon ohne Fork die Leute nicht in signifikanter Größenordnung dazu, das zu benutzen. Das wäre noch übler, wenn es da auch noch Marktfragmentierung gäbe. Deshalb hat noch niemand gnupg geforkt. Nötig gewesen wäre es seit Jahren. Ich persönlich hoffe seit Jahren, dass Werner endlich hinwirft, und dann jemand die Wartung übernehmen kann, der auch ein Interesse daran hat, daraus ein ordentliches Projekt zu machen. Aber das wird ja jetzt nicht mehr stattfinden. Jetzt wo nicht mehr nur sein Ego sondern auch sein Lebensunterhalt direkt davon abhängt, dass er weiterhin Diktator von gnupg bleibt.
[..]
Ich sollte der Sicherheit halber dazu sagen, dass das nicht bloß meine Eintschätzung ist, dass Werner Koch das Problem ist, sondern ziemlich breiter Konsens. Ich habe diverse Mails von anderen Leuten gekriegt, die mit Werner vergeblich zu kooperieren versucht haben.

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↷ 06.02.2015