Review Soupreme Die Suppenbar in Offenbach

Normalerweise schreibe ich ja keine Restaurantkritiken. Das hat den einfachen Grund, dass ich mich über die meisten Lokale, die ich besuche, sehr aufrege. Als ehemalig in der Gastronomie Tätiger fallen mir regelmäßig dutzende übler Fehler auf, kleine Patzer, diverse Vergesslichkeiten, oft genug, man muss es aussprechen wie es ist: Schlampereien, und - das deprimiert mich besonders kraftvoll und schmerzhaft - haufenweise Inkompetenz.

Heute ist daher ein besonderer Tag, weil ich nun damit anfange. Der Auslöser meines unverhofften Sinneswandels ist, wie so oft in der deutschen Servicewüste, Inkompetenz gepaart mit Herumgewurschtel erster Güte.

Auf der Suche nach Abwechslung bin ich im "Soupreme - Die Suppenbar" in Offenbach gelandet. Die gut sichtbare und einladende Speisekarte neben dem Eingang - eine mannshohe Konstruktion - hatte mich angelockt. Ein kurzer Kennerblick über das Angebot ließ mich jede Zaghaftigkeit verwerfen. Die Entscheidung war bereits gesichert, doch ein Blick ins Innere des Etablissements bekräftigte den Entschluss endgültig.



Ein doppelter Supreme-Cheese-Burger mit Cheddar sollte es werden. Mit einem schönen kühlen Pils dazu.

Ich habe Gnocchi mit Tomatensoße gegessen. Der ortskundige Leser wird an dieser Stelle einwenden wollen: "Moment mal. Das Supreme hat doch gar keine Gnocchi im Angebot!". In der Tat, denn ich aß die Gnocchi beim Italiener die Straße runter. Und das kam so:

Im Eingangsbereich des Lokals befindet sich eine Art Bar, abgeschlossen mit der Kasse, an der die Bedienung stand und irgendwas mit einem Gast besprach, als ich dort vorüber kam. Es fand Augenkontakt statt zwischen mir und der Bedienung, einer jungen Frau von der modern-dynamischen Sorte. Ich war auf dem Weg in den hinteren Bereich, wo man an einem Tisch Platz nehmen konnte.

"Kann ich mich hier hinsetzen?", fragte ich die Bedienung als sie gerade an mir vorbeilief, just in dem Moment in dem sich der zweite Blickkontakt ereignete. Freundlich, eilig, lächelnd, nickend kam die Antwort: "Aber klar!", oder so - an den Wortlaut erinnere ich mich nicht mehr. Willkommen, so fühlte ich mich jedenfalls, richtete mich häuslich ein, begann die bereit liegende Karte zu studieren und freute mich ganz ganz doll auf meinen Burger.

Sehr viel mehr Details gibt es nicht zu erzählen über meinen Aufenthalt im Supreme, der Suppenbar. Der vage Verdacht, den ich schon immer hege, unsichtbar zu werden, sobald ich in einem Lokal Platz nehme, bestätigte sich nämlich.

Während ich da so saß, nahm die Bedienung Bestellung für Bestellung entgegen und brachte Essen hinaus zu anderen Gästen. Anscheinend muss man sich in diesem "Restaurant" um sein Glück selbst bemühen, sich an der Kasse anstellen, im Hipsterstyle seine Wünsche äußern und umgehend bezahlen, nicht jedoch ohne vorher mehrmals geduzt worden zu sein. McDonaldsstyle oder so. Ganz klar geht das aus der Raumaufteilung aber nicht hervor, die Bedienung stand frei im Raum und nicht etwa hinter einem Tresen. Kein Schild wies auf diesen Umstand hin und gerade das ist es ja, was mich so verunsichert. Wenn in diesem Land kein Schild auf eine Vorschrift hiweist, gibt es die Vorschrift nicht. Dachte ich.

Ich saß also da, ich laß in meinem Buch, Kapitel um Kapitel, beobachtete das Geschehen und kratze mir mehrmals am Kopf. Es fiel niemandem auf, auch der Bedienung nicht. Wie auch - war ich doch unsichtbar. Ich packte zusammen. Keiner merkte was. Ich stand auf. Niemand wandte den Kopf. Ich zog die Jacke an. Kein dritter Blickkontakt. Ich ging. Unbehelligt.

Die Gnocchi waren übrigens sehr lecker und im nächsten Leben werde ich Restaurantbesitzer sein, diese Bedienung wird sich bewerben, ich werde sie einstellen und dann, eines Tages, ganz unverhofft, aus heiterem Himmel, mit ausgesuchter, blümeranter Höflichkeit, mit der Nuance eines subtilen Lächelns im Gesicht das sich nur anderen ehemals Unsichtbaren erschließt, werde ich ihr kündigen, sie feuern, sie rausschmeißen, auf die Straße setzen, achtkantig, fristlos, umgehend, ohne verdammten Lohnausgleich, ohne Zeugnis und ohne Tschüß. Und den Inhaber werde ich in der Spülküche knechten mit 14-Stunden-Tagen, schlechtem Lohn und ohne Lüftung.

Scheiße noch eins.

#unfassbar

↷ 16.06.2016