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Privatsphäre im Internet?
mspro hat schon vor einiger Zeit zehn Thesen zum "Neuen Spiel" aufgestellt, in denen er unter anderem feststellt:
Datenschutz ist bankrott. Es macht keinen Sinn mehr, Leute davon abhalten zu wollen, Daten zu sammeln und/oder auszuwerten. Wer mit genug Macht ausgestattet ist, wird sich über Regelungen hinwegsetzen, nur die Zivilgesellschaft wird in ihren Möglichkeiten beschnitten. Im Neuen Spiel ist Datenschutz das Monopolrecht auf Datenauswertung für diejenigen, die sich eh nicht an Gesetze halten.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, warum die Überwachung im Internet eigentlich ein Problem ist, um auf die Lösung zu kommen. An sich ist es nicht schlimm, wenn ein Fremder irgendwelche Details über Dein Leben weiss. Schlimm ist es erst, wenn es sonst niemand weiss, bzw wissen soll. Denn dann kann der Fremde dieses Wissen über Dich im Fall der Fälle gegen Dich verwenden. Das wird noch verschlimmert durch den Umstand, dass dieses "Wissen" womöglich falsch sein könnte, es könnte das Ergebnis maschineller Prozesse sein, die Schlussfolgerungen aus Einzeldaten schliessen, die schlicht und ergreifend mit der Realität nichts zu tun haben.
Wenn ein Fremder also Wissen über uns hat, das andere nicht haben, dann hat er Macht über uns. Diese Macht ist umso grösser, je weniger Einfluss wir auf die Art, den Umfang und die Genauigkeit dieses Wissens haben. Natürlich gibt es Unmengen von Daten über uns, auf deren Aufzeichnung wir keinen Einfluss haben, wie IP Adressen bei Webzugriffen, Telefonnummern bei Anrufen, Standortdaten bei Mobilgeräten und dergleichen. Es gibt aber auch eine Menge Dinge, die wir durchaus beeinflussen können.
Sehen wir uns einen Screenshot an:
Bei diversen Diensten im Netz wie Facebook, Twitter, LinkedIN oder auch Xing kann man diverse Einstellungen zur Privatsphäre vornehmen. Jedoch sind diese Einstellungen nichts weniger als ein Honeypot, eine Falle, eine Lüge.
Nehmen wir an, ich hätte ein Facebookprofil und würde ein Posting verfassen, das nur von 3 ausgewählten Personen gelesen werden kann, die ich explizit einstelle. Die allermeisten Leute gehen dann in so einem Setup davon aus, dass sie unter sich sind und schreiben dort Dinge, die sie so niemals öffentlich äussern würden. Aber ist dies wirklich eine private Kommunikation? Ich weiss nicht, wie andere Leute PRIVAT definieren, ich definiere es so:
Eine Kommunikation ist nur privat, wenn niemand ausser den beteiligten Kommunikationspartnern Kenntnis sowohl vom Stattfinden als auch vom Inhalt des Kommunikionsvorgangs hat.
Wenn auch nur 1 weitere, nicht beteiligte Person Zugang zum Kommunikationsinhalt hat oder aber Kenntnis darüber erlangen kann, dass die Kommunikation stattfand, war sie nicht privat, sondern öffentlich! Das lässt sich gut anhand eines Beispiels aus der realen Welt verdeutlichen: Ich sitze im Zug und unterhalte mich mit meinem Sitznachbar über private Angelegenheiten. Eine vermeintliche private Kommunikation, jedoch können die Leute, die uns gegenüber sitzen, zuhören. Somit ist es nicht privat, weil es Zuhörer gibt.
Es ist präzise das gleiche Setup, wenn man bei Facebook oder sonstwo "privat" kommuniziert: Der Anbieter kann immer mitlesen, die NSA kann immer mitlesen, Anwälte können jederzeit Zugang zu Metadaten oder gar Inhalten erlangen, daneben die Polizei, neuerdings sogar das Ordnungsamt und werweissnichtalles. Das sind potentiell zigtausende Menschen, die die Möglichkeit haben, zuzuhören.
Das Fazit ist, dass es Private Kommunikation, wie es mspro bereits feststellte, im Internet nicht gibt, nicht geben kann. Vielleicht gab es das früher einmal, aber die Zeiten sind vorbei. Die daraus folgende Lösung missfällt mir zwar, lässt sich aber unschwer verleugnen: alles muss öffentlich sein oder nicht im Internet stattfinden oder aber verschlüsselt sein. Wenn ich nämlich jemandem in aller Öffentlichkeit irgendwas mitteile, dann weiss es jeder. Zwar hat immer noch der Diensteanbieter und die NSA und sämtliche anderen Behörden darauf Zugriff. Aber da es bereits öffentlich ist, erlangen diese Leute keine Macht über mich. Denn man ist nicht erpressbar mit Wissen, das für jedermann zugänglich ist.
Die Theorie, dass man die Geheimdienste mit Transparenz zur Strecke bringen kann, gilt daher auch in die andere Richtung: indem wir uns selbst transparent machen, verlieren Geheimdienste (und folglich Regierungen) ihre Macht über uns. Geheimnisse, die keine sind, sind wie stumpfe Messer oder nass gewordenes Schwarzpulver. Wertlos. Unnütz. Verschwendeter Plattenplatz. Und das ist der Weg - und meiner Meinung nach der einzige, der uns bleibt - mit dem wir diesem Überwachungsirrsin den Garaus machen können:
Wir müssen unsere Privatsphäre aufgeben.
Kaum vorstellbar, dass ich als militanter Datenschützer und Paranoiker, einmal zu so einer Schlussfolgerung gelangen würde. Und ich kann auch nicht sagen, dass ich bereit dazu wäre. Aber einen anderen Weg sehe ich nicht, so bitter das sein mag.
↷ 21.12.2013 🠶 #gesellschaft ⤒
John B. Emerson wird neuer US-Botschafter in Deutschland
US-Präsident Obama hat einen neuen US-Botschafter für Deutschland ernannt[1]: John B. Emerson. Offensichtlich handelt es sich um einen Gefälligkeitsposten, sprich: eine Belohnung. Denn Emerson hat für die Wiederwahl Obamas schlappe $500.000 aufgetrieben.
Aber wer ist der Mann?
Er wuchs in Bloomfield, NJ und Larchmont NY, auf, ein Geburtsdatum konnte ich interessanterweise nicht finden, er wurde 1954 geboren. Sein Vater war James G. Emerson, ein Pfarrer der Presbyterianischen Kirche, ebenso wie sein Grossvater John Sutherland Bonnell. Das B. in seinem Namen steht für jenes Bonell, vollständig heisst er also John Bonell Emerson. Seine Mutter Margaret Bonnell Emerson, Sozialarbeiterin, die Tochter des erwähnten John Sutherland Bonell, der einer der ersten Gegner von Joseph McCarthy's antikommunistischen Hexenjagden in den 1950er Jahren war [17].
Emerson besuchte das Hamilton College und schloss dort mit einem Bachelor in "Regierung und Philosophie" ab [2], anschliessend studierte er an der Universität von Chicago und machte dort einen DJ (Doktor der Rechtswissenschaften [3]). Emerson war von jungen Jahren an Mitglied der Demokraten. Er war schon während des Colleges politisch aktiv, so beteiligte er sich unter anderem an Antikriegs-Demos und war Freiwilliger im Wahlkampfbüro der Präsidentschaftskampagne von George McGovern (Demokraten) 1972.
Nach dem Abschluss in Chicago zog er nach Los Angeles um, wo er eine Anwaltsstelle bei Manatt,
Phelps & Phillips annahm. Dort war er für Business und Entertainment Prozesse sowie Verwaltungsrecht zuständig und stieg später zum Partner auf.
Ende der 1980er Jahre war er der stellvertretende Generalstaatsanwalt von Los Angeles (sofern ich chief city attorney richtig übersetze), wahrscheinlich während der Amtszeit von James Hahn (1985-2001) [4], das lässt sich leider nicht so genau herausfinden.
Nebenher war er weiter politisch aktiv und hatte eine wichtige Rolle bei der Kampagne zur Senatswahl Jerry Brown's 1982, Gary Hart's Präsidentschaftskanditatur 1984 und 1986-1987. Er war ausserdem Bill
Clintons Kampagnenmanager 1992. Nach Clintons Wahlsieg bekleidete Emerson einen Posten als stellvertretender Assistent des Präsidenten von 1993 bis 1997. Während dieser Zeit hat er unter anderem die Regierungsaktivitäten nach dem Northridge Erdbeben 1994 geleitet.
Während des Clintonwahlkampfes hat er seine Frau Kimberly Marteau Emerson kennengelernt, die sich in vielerlei Weise sozial engagiert. Sie war früher Direktorin der U.S. Information Agency [16]. Die beiden haben eine Tochter, Jacqueline Emerson [18], Spitzname Jackie. Jackie ist Schauspielerin und hat u.a. bei "Hunger Games" mitgespielt [19]. Ausserdem gibt es noch zwei jüngere Zwillingsgeschwister, über die ich aber nichts herausfinden konnte (es gibt auch Grenzen).
Nachdem Ende Clintons Amtszeit wechselte Emerson in die Wirtschaft zu Capital Group Companies, eine Firma die auch in Deutschland erhebliche Beteiligungen hat, zum Beispiel an Bayer, Deutsche Bank, Siemens oder VW. Heute leitet er die Abteilung Vermögensverwaltung bei CG.
Emerson ist nicht nur bei Präsidenten ein grosser Spendenorganisator, er spendet auch selbst reichlich und ist an einigen dutzend Organisationen beteiligt oder aktives Mitglied. Einige Beispiele: LA Metropolitan YMCA [9], Music Center LA, The Buckey School, die Oper von LA, Los Angeles Mayor's Trade Advisory Council, Council on Foreign Relations [7][8] und Pacific Council of Internation Policy [14]. Vor allem die letzten beiden sind bemerkenswert, dabei handelt es sich um konservative Think Tanks, denen einige illustre Persönlichkeiten angehören.
Wie man sieht, ist der Mann praktisch Zeit seines Lebens mit Geld- und Politiprominenz herumgehangen [10]. Das ist seine wichtigste Eigenschaft: sein Netzwerk aus Beziehungen in Politik und Wirtschaft bis in höchste Kreise. Zu seinen Freunden gehören Leute wie Rick Allen, ex nationaler Sicherheitsberater, Reagan Administration; M. Larry Lawrence, San Diego Hotlier und Investor (Clinton Spender), später US-Botschafter Schweiz; Roger Altman, US-Finanzministerium, auf dessen Ranch Jackson Hole, Wyo Emerson Urlaub gemacht hat; Hillary Clinton, mit der er Basketballspiele besucht hat; Bill Clinton, mit dem er joggt; Gary Ross, Drehbuchautor; John Cook und Frank Wells, Disney Executives; Mike Farrell, Schauspieler oder Mickey Kantor, US Handelsministerium.
Der Mann scheint recht symphatisch und umgänglich zu sein. Eine seiner Erfolgsmethoden, Krisen zu bewältigen, ist Riesenmeetings abzuhalten, dazu sämtliche irgendwie Beteiligten einzuladen und jeden
anzuhören. Er scheint auch ein Händchen dafür zu haben, mit Gegnern angemessen umzugehen. Eine nette Anekdote mag als Beispiel dienen: bei einer Wahlkampfveranstaltung zum Staatsanwalt LA hatte Emerson Taschenlampen als Geschenke verteilt. Sein Gegner, Adam Schiff, hatte sich über die Taschenlampen lustig gemacht und aufgeregt. Die Bekämpfung von Verbrechen sei eine grössere Sache als Taschenlampen. Die Anwesenden erwarteten eine harte Antwort von Emerson, der jedoch in mildem Ton antwortete: 'Ich vermute, Adam hat seine Taschenlampe noch nicht bekommen.', worauf tosender Applaus und Gelächter folgten [5].
Sonstige Fakten:
Sein von seinen Freunden verwendeter Spitzname ist übrigens "Emo" und er lebte seit bis kurz nach der Geburt der Zwillinge in der Dupont Circle Nachbarschaft in Washington, DC. Das ist eine Gegend, die sich einige Blocks nördlich vom weissen Haus befindet. Dorthin gezogen ist er 1993, wann genau er wieder weggezogen ist, ist unklar. Offenbar lebt er jetzt wieder in LA.
Er war an der Al Gore Fundraiser Affäre in einem Tempel beteiligt [6].
Quellen:
- [1] The White House: President Obama Announces More Key Administration Posts
- [2] Notable Alumni des Hamilton College
- [3] Juris Doctor, US
- [4] LA Citi Attorney
- [5] The Sunday Profile 1994: Mr. Fix-It
- [6] CNN: Documents show Gore raised 'hard money' from the White House
- [7] Legacy system at the Council on Foreign Relations?
- [8] CFR Membership Roster Letter E
- [9] YMCA - Our Leadership
- [10] Beziehungsmap John B. Emerson
- [11] Ambassador to Germany: Who Is John Emerson?
- [12] Obama appoints big money fundraisers to diplomatic posts
- [13] Map politische Verbindungen Emerson
- [14] Biographie bei PCIP
- [15] Die Zeit über die Botschafterernennung
- [16] Uni CA, USC Center on Public Diplomacy, Biographie Kimberly Marteau Emerson
- [17] Dr. John S. Bonnell, 99, Is Dead; New York Presbyterian Preacher
- [18] Jacqueline Emerson und ihre Mutter beim Rape Treatment Center Brunch
- [19] Jackie Emerson, Foxface, Tribute von Panem
↷ 01.07.2013 🠶 #gesellschaft ⤒
Edward Snowden's merkwürdige Geschichte
Die durch Edward Snowden geleakten NSA Dokumente über deren Überwachungsprojekt unvorstellbaren Ausmaßes ist eigentlich schon alles gesagt worden. Ja, man hat es im Grunde schon immer gewußt. Es nun genau zu wissen, ist aber doch nochmal etwas anderes. Von daher gebührt dem Mann unser aller Dank.
Heute bin ich jedoch auf einen Artikel in The Week gestossen, der über einige Ungereimtheiten in Snowden's Geschichte berichtet. Schauen wir uns an, was für merkwürdige Details das sind:
- Snowden hat sein Einkommen bei Booz Allen Hamilton mit 200.000 $ pro Jahr angegeben. Das Unternehmen selbst hat dem widersprochen und 122.000 $ pro Jahr erwähnt.
Die 200.000 sind in der Tat unglaubwürdig, insbesondere wenn man bedenkt, daß er erst 3 Monate dort beschäftigt war, also im Grunde noch innerhalb der Probezeit. Kein Sysadmin bekommt ein derartiges Gehalt, schon gar nicht als 26jähriger kurz nach der Einstellung. - Snowden hat angeblich am 20. Mai 2013 das Land in Richtung Hong Kong verlassen. Sein Haus stand zu dem Zeitpunkt allerdings bereits seit 3 Wochen leer. Es ist unklar, wo er sich in der Zeit aufgehalten hat.
Den Punkt finde ich eigentlich nicht unglaubwürdig. Snowden hat angegeben, den Leak seit Monaten vorbereitet zu haben. Da passt es doch, sein Haus zu verkaufen und auszuräumen. In der Zwischenzeit wird er in einem Motel oder ähnlichem gewesen sein. Finde ich also völlig plausibel. - Snowden hat im Interview angegeben, jederzeit von jedermann beliebige Daten abgreifen zu können ("to wiretap anybody"). Mehrere Ex-Geheimdienstler widersprechen dem vehement. Als Externer hätte er gar nicht die Erlaubnis dafür gehabt und auch keinen Zugriff auf entsprechende Daten bekommen. Es wird auch extra erwähnt, daß er als Sysadmin unter Umständen physikalischen Zugriff auf Speicherkomponenten (Platten, Datenbanken) hatte, daß er aber an den diversen Beschränkungen und am Auditlog nicht vorbeigekommen wäre, ohne aufzufliegen.
Bei dem Teil bin ich gespalten. Einerseits ist die NSA ein Moloch von Behörde. Dort gibt es mit Sicherheit hunderte Abteilungen mit gewachsenen Strukturen, einem unübersichtlichen Konvolut an Netzverbindungen, Firewallfreischaltungen, Authentisierungsmethoden und Prozessen. Ich sehe das auch bei mir in der Arbeit: ich arbeite bei einem IT-Dienstleister für Banken und ich bin Sysadmin im Sicherheitsbereich. Ich habe trotzdem nicht den Hauch einer Chance, auf den HOST zuzugreifen, auf dem Finanztransaktionen der Bankkunden verarbeitet werden. Ich müsste schon drastische Maßnahmen ergreifen, um so weit zu kommen. Bis ich schließlich drin bin, hätte es schon mehrere dutzend Prio 1 Alarme gegeben, Krisenmeetings wären etabliert worden etc pp.
Daß Snowden also unbeschränkten Zugriff auf Überwachungsdaten hatte, halte ich auch für unwahrscheinlich. Dazu kommt noch die Machtkomponente: Wer über diese Daten verfügt, hat eine unvorstellbare Macht. Menschen, die solche Macht haben, teilen sie eher ungern. Daher werden die mit Sicherheit dafür sorgen, daß erstens nur ein äußerst eingeschränkter Personenkreis darauf Zugriff hat und zweitens sicherstellen, daß sie immer die Kontrolle darüber haben, wer wann warum darauf zugreift.
Einerseits :)
Andererseits werden Sicherheitssysteme auch nur von Menschen gebaut, auch bei der NSA. Die NSA-Clients sind garantiert ganz normale Windowsmaschinen. Die Agents loggen sich garantiert auf Terminalservern ein, sie verwenden VPNs, zum Beispiel um Telearbeit zu machen oder "im Feld" auf Daten zugreifen zu können. Durch die oben beschriebene mehr oder weniger chaotische, gewachsene, historisch bedingte Struktur gibt es Gazillionen Freischaltungen von allen möglichen Sourcen zu allen möglichen Zielen. Das ist bei uns auch nicht anders und wir sind im Vergleich zur NSA ein bescheidener Laden. Einen vollständigen Überblick hat niemand.
Ein paar Beispiele: auch bei uns gibt es Auditlogs, Keylogs, Revisionskontrollen und vieles mehr. Firewalls loggen alle Pakete (auch erlaubte!). Man hinterlässt also reichlich Spuren. Dieses orwellsche Überwachungssystem zu umgehen ist aber für den, der weiß wie es aufgebaut ist, ein leichtes. Ein SSH-Tunnel hier, ein Perlinterpreter als Shell da, Schwuppdiwupp Kartoffelsupp ist man durch. Und keiner ahnt was davon. Ich komme zum Beispiel zum Zwecke des Troubleshootings auf alle Firewalls. Klar wird das geloggt. Aber wem würde es auffallen, wenn ich da irgendwelche unverschlüsselten Transaktionen mit tcpdump aufzeichnen würde? Niemand. Und selbst wenn: "Troubleshooting wegen einem Troubleticket des Kunden XYZ". Völlig lächerlich. Anders Beispiel: wir haben keinen freien Internetzugang, es geht nur über Proxies raus. Die Proxies haben Contentscanner, Virenscanner, Behaviorscanner, URL-Filter und was weiß ich nicht alles. Nur - für mich gilt das nicht. Ich gehe ungefiltert ins Internet. Und meine Zugriffe landen auch in keinem Log. Das ist daily doing.
Von der Warte her betrachtet, kann es also durchaus sein, daß Snowden auf diese oder jene Daten Zugriff hatte, wahrscheinlich aber an den normalen NSA Prozessen vorbei.
Man muß sich auch vor Augen halten, von wem die Vorbehalte kommen, zum Beispiel einem "former senior NSA operator". Eine Jobbeschreibung ist das natürlich nicht. Aber ein "Operator" ist in meinen Augen kein "Administrator". Der Operator sitzt vor der Maschine, der Administrator sitzt IN der Maschine. Ein gewaltiger Unterschied. Hinzu kommt, daß es bei solchen Vorbehalten auch um Spindoctoring der NSA handeln kann, sprich: Schadensbegrenzung. Wenn ein Ex-NSA-Operator unbeschadet in Interviews Aussagen über interne NSA-Prozesse macht, dann deshalb, weil er es mit dem Einverständnis der NSA tut.
Ein weiteres Problem dabei ist Inkompetenz. Gerade in riesigen Organisationen und Behörden stapelt sich die Inkompetenz bis unter die Decke. Je inkompetenter jemand ist, umso böser verhält er sich gegenüber Kollegen und umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß er voran kommt. Das ist ein allgemein bekanntes Phänomen und das wird auch bei der NSA nicht anders sein. Sicherheitslücken wegen Schlamperei und Inkompetenz sind in der IT Welt Standard. Auch bei der NSA. Und Leute wir wir, wozu ich auch Snowden zähle, sind diejenigen, die solche Lücken finden. - Zu guter Letzt sei Snowden's Lebenslauf eigenartig. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß die NSA jemanden ohne Highschool-Abschluß einstellen würde, heißt es.
Nun, zum einen hat die NSA ihn nicht eingestellt. Ja, er war seiner eigenen Aussage nach vorher bei der CIA. Nun wäre es ja aber für einen Aparat wie die US Administration, die auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Desaster des Leaks ist, einfach, einmal bei der CIA anzufragen, ob der Typ tatsächlich dort angestellt gewesen ist. Denn immerhin wäre das doch die perfekte Verteidigung: "Edward Snowden war nie CIA Angestellter und ist nie für die NSA tätig gewesen. Seine Behauptungen sind erfunden und die Dokumente sind gefälscht. Wir überwachen keine US-Bürger".
Oder nicht?
Also ich an Obamas Stelle hätte das so gemacht. Damit hätte sich das alles in Luft aufgelöst. Man hätte es als eine weitere Ausgeburt von verrückten Verschwörungstheoretikern in eine staubige Ecke schieben können und hätte seine Ruhe. Nur - das ist nicht passiert!
Daraus kann man nur eine Schlussfolgerung ziehen: Edward Snowden WAR bei der CIA und er WAR für die NSA tätig. Period. Immerhin bin ich auch nur gelernter Koch und arbeite in der Security im Bankenwesen. So what?
Unterm Strich lässt sich zusammenfassen, daß der Beitrag in The Week ein Spin ist. Man versucht, Snowden zu diskreditieren, ohne konkrete Anhaltspunkte zu haben. Aussagen wie "a former CIA official doesn't believe..." sind keinen Pfifferling wert. Und mal ganz ehrlich: wer würde, wenn er vor hat, einen solchen Coup zu landen, wohl wissend, daß er nachher im Mittelpunkt des Medieninteresses eines ganzen verdammten Planeten steht, nicht an ein paar Details seiner Biographie schrauben? Ich für meinen Teil würde das jedenfalls ganz genau so machen.
Update 2013-06-18:
Edward Snowden hat sich den Fragen der Öffentlichkeit gestellt.. Einige der Antworten betreffen auch das Thema hier:- Did you lie about your salary? What is the issue there? Why did you tell Glenn Greenwald that your salary was $200,000 a year, when it was only $122,000 (according to the firm that fired you.)
Answer:I was debriefed by Glenn and his peers over a number of days, and not all of those conversations were recorded. The statement I made about earnings was that $200,000 was my "career high" salary. I had to take pay cuts in the course of pursuing specific work. Booz was not the most I've been paid.
- Unrelated, aber schön auf den Punkt gebracht: US officials say terrorists already altering TTPs because of your leaks, & calling you traitor. Respond?
Answer:[..]
Further, it's important to bear in mind I'm being called a traitor by men like former Vice President Dick Cheney. This is a man who gave us the warrantless wiretapping scheme as a kind of atrocity warm-up on the way to deceitfully engineering a conflict that has killed over 4,400 and maimed nearly 32,000 Americans, as well as leaving over 100,000 Iraqis dead. Being called a traitor by Dick Cheney is the highest honor you can give an American, and the more panicked talk we hear from people like him, Feinstein, and King, the better off we all are. -
Auch interessant ist seine Sichtweise zur Problematik, wie die US-Regierung mit Whistleblowern umgeht. Deren Kalkül ist es ja, zukünftige Whistleblower durch die drakonischen Strafen abzuschrecken. Was aber sagt Snowden dazu:
Answer:Binney, Drake, Kiriakou, and Manning are all examples of how overly-harsh responses to public-interest whistle-blowing only escalate the scale, scope, and skill involved in future disclosures. Citizens with a conscience are not going to ignore wrong-doing simply because they'll be destroyed for it: the conscience forbids it. Instead, these draconian responses simply build better whistleblowers. If the Obama administration responds with an even harsher hand against me, they can be assured that they'll soon find themselves facing an equally harsh public response.
-
Apropos "Verräter": What would you say to others who are in a position to leak classified information that could improve public understanding of the intelligence apparatus of the USA and its effect on civil liberties? What evidence do you have that refutes the assertion that the NSA is unable to listen to the content of telephone calls without an explicit and defined court order from FISC?
Answer:This country is worth dying for.
↷ 13.06.2013 🠶 #gesellschaft ⤒
Alles wird gut!
Gestern hatte ich mit meinem Stiefsohn ein Gespräch. Das ist an sich erstmal nichts ungewöhnliches, das Thema aber schon. Er ist einer dieser typischen jungen Leute, die sich anscheinend gar nicht für Politik interessieren, die ausser Facebook und Computerspielen nichts im Kopf haben und denen ansonsten das Schicksal der Welt egal zu sein scheint. Scheint, das ist das Stichwort.
Er fing von selber mit Fragen über Griechenland und Reparationszahlungen an, ich erklärte es ihm. Es ging weiter über Merkel, Austerity, Weltwirtschaft, Weltkrieg, Herrschaft, Macht und Machterhalt, Eliten, und so weiter, ein Wort gab das nächste und ich hatte die unbeschreiblich seltene Gelegenheit, einem jungen Menschen mit einem Virus zu infizieren. Und ich hab sie weidlich genutzt. Das war wie ein klitzekleines Fensterchen des Zweifels in seinem Geist, durch das ich zu ihm durchdringen konnte. Und es ist mir sogar gelungen, das Fenster grösser zu machen und ich hege die Hoffnung, dass es auch offen bleibt. Denn das ist meiner Meinung nach das Allerwichtigste: einen offenen Geist zu haben, offen zu sein für Neues, neue Denkmuster, Dinge von der Rückseite zu beleuchten, Querzudenken. You name it.
Das war ein höchst seltener, kostbarer Moment, wie mir im Nachhinein bewusst geworden ist. Und es war ein erhebendes Gefühl, ETWAS weitergeben zu können an die nächste Generation, quasi der Geburt eines neuen kritischen Geistes beizuwohnen.
Ein zentraler Punkt unseres Gesprächs war, dass Alles immer schlimmer wird, dass es bergab geht und wir letztlich alle untergehen werden. Er hat diese symptomatische Einstellung, die ich an dieser Stelle als Zynischen Pessimismus bezeichnen möchte - keine Erfindung meinerseits, darauf komme ich noch. Man begegnet zynischem Pessimismus tagtäglich überall. Gefühlte 99% der Menschen mit denen ich Kontakt habe, neigen zu dieser Weltanschauung. Kern dieser Anschauung ist, dass es früher besser war, als heute und dass die Welt immer schlechter wird, bzw konkret die Menschen immer schlechter werden.
Allerdings ist das ein Irrtum, ein gewaltiger noch dazu. Mein Stiefsohn begann darüber zu sinnieren, wie cool es doch sei, in der Ritterzeit zu leben. Kämpfen, Fressen, Ficken (das ist ein Zitat *g*). Allerdings musste ich ihm diesen Zahn ziehen. Ich erklärte ihm, dass die Menschen im Mittelalter selten älter als 40 Jahre alt geworden sind. Dass - wo wir bei Zähnen sind - Karies eine mögliche Todesursache war. Und das Kämpfen in diesen Zeiten bedeutete, im Schildwall zu stehen, knietief in einem Morast aus Schlamm, Eingeweiden, Scheisse und abgehackten Körperteilen mit einer Überlebenschance von ein paar Prozent. Und dass auf diesen Schlachtfeldern der Ruf "Sanitäter!" noch unbekannt war. Ich erklärte ihm, dass die Leute damals - so sie denn nicht in den Krieg eingezogen worden sind - von Sonnenaufgang bis Untergang mit Überlebenskampf und schwerer körperlicher Arbeit beschäftigt waren. Ohne Krankenkasse, Arbeitszeitbegrenzungen, Freizeit, freiem Wochenende oder gar Urlaub. Und dass in den Betten der Leute damals mehr Viehzeug lebte, als wir heute in einem Komposthaufen akzeptieren würden.
Also ja: die Welt ist besser geworden. Ich persönlich möchte um keinen Preis mit irgendeinem Leben in der Vergangenheit tauschen wollen. Vielleicht mal als Gast, zum Schauen. Mal für eine Stunde sich am Schrecken "ergötzen" oder wie man das nennen mag, ok. Aber nicht länger. Heute leben wir länger, wir haben Freizeit und zwar reichlich davon. Und es gibt weniger Gewalt. Was mich wieder zum eigentlichen Problem führt, dem zynischen Pessimismus. Glaubte man der Berichterstattung in den etablierten Medien, werden die Menschen immer gewalttätiger. Immer mehr Kriminalität, wohin man auch schaut. Mord und Totschlag! In Wahrheit ist es genau umgekehrt. Es gibt immer weniger Gewalt. Ein Blick in die Kriminalstatistik genügt. Weniger Vergewaltigungen, weniger Raubüberfälle, weniger Morde. Vor allem weniger Morde.
Die spannende Frage ist, warum viele Menschen - wie mein Stiefsohn - das nicht so wahrnehmen. Und die nächste Frage ist, warum das überhaupt so ist. Die erste Frage ist leicht zu beantworten: unsere Gesellschaft entwickelt sich immer weiter. Wir werden in Summe immer friedlicher und friedliebender. Das geht einher mit einer immer höheren Akzeptanzschwelle für Gewalt. Meinem Stiefsohn habe ich diesen Effekt so erklärt: vor 20-30 Jahren wurde über einen Mord in der Zeitung auf Seite 3 irgendwo in einer Ecke berichtet (sofern das Opfer nicht prominent war). Heute jedoch wird darüber auf Seite 1 berichtet. Und zwar nicht nur an dem Tag, an dem der Fall bekannt wurde. Nein, auch am darauffolgendem, und dem danach, und dem danach - wochenlang manchmal! Und diese Berichterstattung findet auf allen Kanälen gleichzeitig in dieser Weise statt. Wenn heutzutage jemand ermordet wird (am schlimmsten ist es, wenn das Opfer ein Kind war), dann sind sämtliche Medienkanäle voll mit Mord und Totschlag!
Die Ursache dafür ist nicht - wie viele Verschwörungstheorien es gerne hätten - in korrumpierten Medien zu suchen. Die Ursache ist die praktisch nicht mehr vorhandene Akzeptanz für Gewalt in der Gesellschaft. Und dieser Prozess schreitet voran. Was heute nur tagelange Entrüstung hervorruft, wird in einigen Jahren Aufruhr verursachen, wochenlange Proteste, ein Geschrei und massenhaftes Entsetzen, das nach Artikulation sucht.
Ein anderes Beispiel, anhand dessen ich dem Stiefsohn die friedlicher werdende Menschheit erläutert habe, war die US-Army. Es ist wirklich nicht lange her, dass regelmäßig Särge in die USA zurückkehrten. Selbst mein Stiefsohn erinnert sich daran. Aber das ist heute ziemlich selten geworden. Die USA führen immer noch Krieg, daran hat sich im Grundsatz nichts geändert. Nur dass sie das inzwischen mit der Fernbedienung tun: Drohnen erledigen die schmutzige Arbeit. Und Soldaten sterben dabei nicht. Woran liegt diese Entwicklung? Viele meinen, es sei eine Frage des Geldes. Eine Drohne sei billiger als ein Soldat. Aber das stimmt keineswegs. Im Gegenteil: Drohnen kosten ein Heidengeld. Und die Soldaten braucht man trotzdem noch. Um die Drohnen herum ist eine aufwändige Infrastruktur am Leben zu erhalten. Warum also dieser exorbitante Aufwand? Die Antwort lautet: Tod wird von der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert, weil sie friedlicher geworden ist. Ja, noch immer werden von den Drohnen Menschen getötet, was scheinbar noch akzeptiert wird. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen. Auch diese Front bröckelt. Von Akzeptanz kann da schon lange keine Rede mehr sein. Letztere Tendenz führt zur Enwicklung präziserer Drohnen, empfindlicherer Sensoren. Alles mit dem Ziel so wenig Menschen wie möglich zu verletzen. Eine Attitüde, die die Feldherren des Zweiten Weltkriegs schrill auflachen lassen würde. Damals wurde eine Bombe abgeworfen und gut war es.
Soweit zur Theorie. Aber irgendetwas stinkt da. Etwas ist faul. Etwas stimmt da nicht. Eine Frage schwelt an der Grenze zum Bewusstsein, die unangenehm zu werden droht. Gefährlich. Dieser zynische Pessimismus: wie war das nochmal? Gefühlte 99% der Menschen neigen zu dieser Weltanschauung? Warum? Die Erkenntnis, dass die Welt eigentlich immer besser wird, sollte doch die gesamte Menschheit jubeln lassen! Aber es jubelt keiner, alle jammern und klagen! Was ist da los?
Enter Rebecca Solnit.
Ich gebe zu, noch nichts von ihr gelesen zu haben. Aber es gibt aktuell ein Interview mit ihr im BOMB Magazine. Sie beantwortet in diesem Interview diverse Fragen. Das für mich faszinierende ist aber, dass sie vor allem jene soeben aufgeworfene Frage nach dem Warum des zynischen Pessimismus beantwortet:
Machteliten glauben an eine käufliche, selbstsüchtige und im Grunde mönströse Version der menschlichen Natur (die eigentlich ihre eigene ist!). Solnit erinnert uns daran, dass man nicht unvorstellbar reich und mächtig werden kann, wenn man ein Engel ist. Diese Leute sind davon überzeugt, dass nur ihre Macht den Rest von uns auf Linie halten kann und wenn diese Macht irgendwie schrumpft oder schwindet, wird unsere unterschwellige gewalttätige Natur an die Oberfläche geraten und die Menschheit untergehen.
Wie ich oben bereits dargelegt habe, ist die Erkenntnis, dass dem nicht so ist, eminent. Auch Solnit hat das erkannt. Aber da Machtmenschen überhaupt nur wegen ihrer finsteren Ansichten und Methoden soweit kommen konnten, sehen sie auch nur Finsternis um sich herum. Der "Pöbel" da draussen ist für solche Leute eine immerwährende potentielle Gefahr. Machtmenschen nutzen jede sich bietende Gelegenheit, einen Konkurrenten auszubooten, mit allen sich bietenden Mitteln, rücksichtslos, gewissenlos. Ich gehe soweit zu behaupten, dass Machtmenschen im Grunde immer Soziopathen sind, sogar sein müssen. Kein vernunftbegabter Mensch, der auch nur über ein Minimum an Empathie und Menschenliebe verfügt, wird jemals Macht erlangen. Und so gehen diese Soziopathen davon aus, dass Alle so sind wie sie selbst. Sie haben Angst, dass die Menschen bei einer Demonstration anfangen, zu plündern, einander zu vergewaltigen und alles zu zerstören, was ihnen in den Weg kommt. So wie sie selbst es tun mussten, um ihre Macht zu erlangen.
Doch die Realität sieht freilich anders aus. Solnit erläutert das am Beispiel eines Mannes während 911. Der Mann war Athlet, er war zusammen mit Kollegen auf der Flucht vor den einstürzenden Hochhäusern. Durch seinen sportlichen Körperbau wäre er von allen der schnellste gewesen. Statt aber so schnell wegzulaufen wie er konnte, ist er mit Absicht langsamer geworden, um die langsameren Kollegen zu unterstützen. Im Angesicht des sicheren Todes hat der Mann eine rationale Entscheidung getroffen, die nicht unmittelbar ihm selbst zum Vorteil gereichte. Solche Beispiele der Selbstlosigkeit gibt es viele. Unzählige. Und sie belegen vor allem eins: die Schwarz-Weiss-Sicht der Machteliten ist grundfalsch.
Und hier schliesst sich der Kreis. Damit die Soziopathie der Machteliten weiter zum Machterhalt beiträgt, muss der zynische Pessimismus, den deren Weltanschauung eigentlich darstellt, erhalten, gepflegt und verbreitet werdeen. Indem die grosse Masse der Menschen dem gleichen zynischen Pessimismus anheim fällt, erhält die Mehrheit die Macht einer Minderheit von Soziopathen aufrecht.
Was also kann man tun, um diesen Kreis zu durchbrechen? Und mit "Durchbrechen" meine ich präzise: diese korrupten Betrüger namens Merkel & Co in die Wüste zu schicken. Das ist im Grunde sehr einfach: Spread the Word! Verbreitet diese Erkenntnis, dass sich die Menschheit eigentlich in eine positive Richtung entwickelt! Erzählt jedem der es nicht hören will, dass Gewalt weniger wird und immer weniger akzeptiert wird!
Und vergesst die Erfolge nicht zu erwähnen. Denn Geschichte wird beileibe nicht von grossen Staatsmännern, Königen oder Päpsten gemacht. Nein, der Schwarm macht Geschichte, Meme machen Geschichte, Ideen machen Geschichte, die grosse Masse der Menschen als solche macht Geschichte. Die grossen Männer (und heutzutage Frauen) springen immer nur nachträglich auf den längst fahrenden Zug auf und versuchen auf ihre soziopathische Art Profit aus neuen Entwicklungen zu schlagen. Allerdings nicht nachdem sie zuvor versucht haben, sie mit allen Mitteln zu bekämpfen. Erst, wenn das nicht gelungen ist (und es gelingt nie!), vollziehen sie die 180°-Wende und versuchen das Neue als ihren eigenen Erfolg zu verkaufen. Solche Manöver müsst Ihr enttarnen! Sprecht darüber! Schreibt darüber! Bloggt darüber!
Um Rebecca Solnit zu zitieren:
Die Menschen haben vergessen, wie anders die Welt wäre, wenn wir nicht all diese Dinge getan hätten. Die Frauenbewegung, die Umweltschutzbewegung, die Queerbewegung und die verschiedensten Bewegungen zur Rassengerechtigkeit: sie waren nicht alle vollständig erfolgreich, aber es wurde viel erreicht. Oft sind unsere Erfolge unsichtbar: die Spezies, die nicht ausgestorben ist, der Dissident, der nicht exekutiert wurde, die Bürgerrechte, die nicht abgeschafft wurden, das Sumpfgebiet, das keine Shoppingmall wurde.
Diese unsichtbaren Erfolge müssen verbreitet werden. Daraus wird Hoffnung geboren. Hoffnung, dass es nicht sinnlos ist, sich gegen Autoritäten aufzulehnen. Wenn Euch in Zukunft jemand fragt: aber was soll ich als einzelner nur tun?! Das hier ist die Antwort.
Update 2013-04-09:
Ein ausgezeichnetes Beispiel ist das hier: I'm a loser and I want to change that - now. Ein Mensch voller Selbstzweifel. Und wie reagiert "Der Pöbel"? Mit einem Grad der Noblesse, die erhebend ist. So viele Ratschläge und Aufmunterungen auf einen Haufen hab ich noch nicht gesehen. Niemand kommt auf die Idee, an dem Mann herumzukritteln.↷ 09.04.2013 🠶 #gesellschaft ⤒
Ich bleibe bei Amazon Kunde, alles andere wäre Heuchelei
Amazon wird derzeit von allen Seiten heftig wegen der Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren kritisiert. Während alle auf Amazon rumhacken, ist mir ein Detail aufgefallen, im oben verlinkten Artikel:
Rund 90 Prozent der Zeitarbeiter bei den Mitgliedsfirmen hätten einen unbefristeten Arbeitsvertrag, betonte Stolz. Der iGZ ist einer der Arbeitgeberverbände der Branche und vertritt nach eigenen Angaben rund 2.700 mittelständische Unternehmen.
Ist das so?
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Mehrere Millionen Menschen in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsektor zu ähnlichen oder schlechteren Bedingungen als die Leiharbeiter bei Amazon. Ein grosser Teil dieser Menschen verdient nicht genug Geld, um zu überleben und muss mit Hartz IV aufstocken.
Ein Bekannter von mir hat neulich so einen Job angenommen: befristet für 3 Monate bei einer Zeitfirma angestellt für 7,50 Euro die Stunde brutto. Die Zeitfirma verleiht ihn an einen Callcenterbetreiber, der widerum Callcenter für irgendwelche Unternehmen betreibt. Jetzt ist er krank geworden, der Vertrag wird nicht erneuert. Raus.
So oder ähnlich sieht der Alltag vieler Menschen in Deutschland heute aus. Die Kritik an Amazon an sich ist natürlich grundsätzlich nicht falsch. Der Fehler ist, dass Amazon aber lediglich die Möglichkeiten nutzt, die es in Deutschland hat. Gäbe es diese Möglichkeiten nicht, würden sie das auch nicht tun. Zu verdanken haben wir diesen Zustand unserer Regierung (und der davor), die den Arbeitsmarkt systematisch in Richtung chinesischer Verhältnisse umgebaut haben und damit 100 Jahre gewerkschaftliche Kämpfe zunichte gemacht haben.
Die Kritik hat der Regierung zu gelten und nicht einem einzelnen Unternehmen. Ein Unternehmen ist stets bestrebt die Kosten zu senken, und dabei reizt es die gesetzlichen Möglichkeiten aus soweit es geht. Nicht nur Amazon tut das. Auch die Telekom. Oder Zalando. Oder DHS. Oder Apple. Jedoch kommt niemand dieser Möchtegern-Protestler bei Facebook auf die Idee, bei denen auch zu kündigen. Ganz zu schweigen davon, ihre Kritik an die Regierung zu richten, die diesen unerträglichen Zustand überhaupt erst zugelassen hat. Oder an die Gewerkschaften, die sich haben korrumpieren und kaufen lassen.
Dieses ganze Gezeter gegen Amazon ist nichts weiter als stinkende, ignorante Heuchelei. Wollte irgendeiner von denen tatsächlich etwas ändern, würde er seinen Abgeordneten anschreiben, anders wählen und grundsätzlich sein Konsumverhalten ändern. Und das nervt mich schon ziemlich gewaltig.