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Tierschutz - das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Das ist Annie:
Annie ist eine etwa 5 Jahre alte Mischlingshündin aus Spanien. Sie ist vor 10 Wochen bei uns eingezogen. Wir haben sie sehr ins Herz geschlossen - trotz all der Päckchen die sie mitbringt - und werden sie auch nicht mehr hergeben.
Diese Hündin ist im Grunde der typische Tierschutzhund: schwer vermittelbar. Hier ist eine Liste der Probleme, die wir bei ihr festgestellt haben:
- massive Kieferfehlstellung: wodurch sich ein Teil der Vorderzähne des Oberkiefers im Freien befindet.
- mehrere persistierende Milchzähne: dadurch leidet sie unter dauerhaften Zahnfleischentzündungen, Karies und Zahnstein, hauptsächlich an den oberen an der Luft befindlichen Zähnen.
- Probleme beim Atmen: man hört ziemlich oft Röchelgeräusche.
- Perinealhernie: das ist ein Bruch der Bauchdecke, wodurch die Blase eingeklemmt werden könnte.
- Nystagmus (Vestibularsyndrom): ein neurologischer Schaden, der vermutlich durch Schläge oder durch eine nicht behandelte Staupeinfektion im Welpenalter ausgelöst wurde. Sie ist deswegen nicht in der Lage, ein Objekt mit den Augen zu focussieren. Die Augen wandern von allein nach rechts, sie zuckt dann mit dem Kopf ebenfalls nach rechts (wie um die Augen wieder einzufangen) und bewegt dann den Kopf wieder zurück. Das geht ununterbrochen so, auch im Schlaf, zumindest ist es zu beobachten wenn sie träumt.
- eiternder Faden an der Narbe der Kastration.
- eine entzündete Milchzitze.
- Sie hat eine Lebensmittelallergie auf helles Fleich, was zu juckenden Entzündungen der Bauchhaut führt.
- tränende Augen: ob es einen Zusammenhang mit dem neurologischen Schaden gibt, ist unklar.
- nicht stubenrein: Wir müssen mit ihr mehrmals am Tag zusätzlich zu den normalen Gassirunden mit ihr in den Garten. Wenn wir da mal nicht schnell genug sind, schafft sie es nicht und pieselt irgendwo hin. Vermutlich wird das für immer so bleiben.
- Sie verfügt über keinerlei Umweltsozialisation: sie kennt praktisch nichts, jedes Geräusch, jeder Gegenstand und jedes Lebewesen scheint neu für sie zu sein und sie ins Mark zu erschrecken.
- Sie kann nicht in Einzelhaltung leben und benötigt unbedingt einen Zweithund als Sicherheit.
Die gesundheitlichen Probleme werden wir soweit möglich behandeln lassen. Wir werden die karösen Zähne entfernen lassen. Vom Schädel wird noch ein MRT angefertigt, um zu sehen ob es innere Schäden gibt. Die Behandlung der tränenden Augen hat bisher nicht angeschlagen. Entzündungen sind aber mittlerweile abgeklungen.
Die Unsicherheit, Angst und Panikatacken werden wir im Lauf der Zeit angehen. Wir konnten sie schon an Einiges gewöhnen, Annie ist wirklich sehr gelehrig. Sie ist bereits sehr gut abrufbar und man kann mit ihr abseits von Strassen bereits ohne Leine laufen.
Der interessante Teil der Geschichte ist aber, wie wir zu ihr gekommen sind. Zugegebenermaßen waren wir ziemlich naiv, haben uns beeinflussen lassen und hätten Annie vielleicht nie genommen, wenn wir von alldem vorher gewusst hätten.
Vermittelt wurde Annie durch einen in Spanien ansässigen Tierschutzverein, der auch in Deutschland tätig ist. Eine Bekannte von uns ist dort als Pflegestelle Mitglied und schwärmte in den höchsten Tönen vom Verein. Aus Furcht vor Repressalien durch diesen Verein kürze ich den Namen hier nur mit Der Verein ab. Ich kann den Verein auf Nachfrage jedoch gerne benennen.
Irgendwann war diese kleine Hündin verfügbar:
Annie kam am 11.07.2021 auf der Pflegestelle in Heiligenhafen an. Wir haben ihr am 16.07.2021 den ersten Besuch abgestattet. Der Unterbiss war nicht zu übersehen, ihr scheues Verhalten fanden wir normal. Auf der Pflegestelle wurde uns ansonsten nur Positives von ihr erzählt. Sie käme mit allem und allen gut klar, sie sei unauffällig, ein einfacher Hund halt.
Bei einer Gassirunde mit unserem Finlay ist es dann um uns geschehen. Die beiden sind wie ein altes Ehepaar zusammen gelaufen, was bei Finlay ja nicht unbedingt selbstverständlich ist.
Wir entschieden uns recht schnell, Annie zu nehmen, unterzeichneten am 17.07.2021 den “Vertrag” (dazu unten mehr), bezahlten die “Ablösegebühr” und nahmen sie mit nach Hause. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass ein gewisser Druck auf uns ausgeübt wurde, subtil aber effektiv. Es gäbe noch viele andere Interessenten und sie wäre in ein paar Tagen weg.
Die ganzen Probleme, die sie hat, sind uns daheim schon nach ein oder zwei Tagen aufgefallen. Auf Nachfrage bei der Pflegestelle wurde uns nur entgegnet, dass das nicht sein könne. Wir sind umgehend mit ihr in die Tierklinik Neustädter Bucht gefahren und haben sie gründlich untersuchen lassen. In den nächsten Monaten werden wir einige Behandlungen mit ihr machen lassen müssen, insgesamt werden Kosten von ca 2.500,- Euro auf uns zukommen, wovon wir bisher bereits knapp 600,- Euro aufgebracht haben.
Wir fragten daher beim Verein nach. Gar nicht mal, um Annie wieder loszuwerden (was eh nicht mehr in Frage kam!), sondern eher um über die doch nicht unerheblichen Kosten zu sprechen. Die Mitarbeiterin des Vereins, mit der wir telefoniert hatten, war spürbar ungehalten. Die Kompetenz deutscher Tierärzte bezweifelte sie gleich von Anfang an: Die behandeln Tierschutzhunde immer schlecht, denen ist nicht zu glauben, meinte sie unter anderem. Über ihre unfreundliche Art möchte ich nichts weiter schreiben.
Ohne dass wir danach gefragt hatten, teilte sie uns unumwunden mit, dass sie Annie einschläfern lassen würden, sollten wir uns entscheiden sie wieder zurückzugeben, sofern die Behandlungskosten das Budget des Vereins übersteigen würde (wobei wir zu diesem Zeitpunkt von etwa 1.000,- Euro ausgingen). Einschläfern! Ein Tierschutzverein! Wir waren entsetzt und beendeten jeglichen Kontakt zu diesen Leuten.
Die Kommunikation des Vereins findet beinahe ausschliesslich bei Facebook oder via Whatsapp statt. Es gibt dutzende Gruppen, einige öffentlich, andere nur für Mitglieder oder für Übernehmer von Hunden.
Nun bin ich selbst nicht bei Facebook Mitglied und kann mich daher dort nicht äussern, daher möchte ich meine Kritik hier darlegen.
Voranstellen möchte ich, dass ich überzeugt bin, dass die meisten Mitarbeiter des Vereins sicherlich mit guten Motiven ihre Arbeit tun. Ehrenamtlich noch dazu. Jeder weiss, wie es um Hunde in Spanien bestellt ist, Tierschutzvereine sind für viele Hunde oft die einzige Überlebenschance. Mit Sicherheit würde Annie jedenfalls heute nicht mehr leben, hätte der Verein sie nicht aus Spanien nach Deuschland geholt und wir sie übernommen. Insofern, trotz aller Kritik: Vielen Dank dafür!
Unabhängig davon ist es meiner Meinung nach nicht zu viel verlangt, als Tierschutzverein professionell aufzutreten, sich an die selbst auferlegten Regeln zu halten, die Übernehmer von Hunden nicht im Regen stehen zu lassen und sich einfach mehr Mühe zu geben.
Der eklatanteste Mangel bei diesem Verein ist die Einschätzung der Hunde. Sie findet praktisch nicht statt. Man erfährt als Interessent praktisch nur die offensichtlichen Dinge, die nicht zu übersehen sind. Das ist unprofessionell. Das beschissenste Tierheim in Polen macht es besser.
Ein Hund, der frisch aus Spanien in Deutschland eintrifft, sollte eigentlich einige Wochen auf der Pflegestelle bleiben. Es ist ein Unding, einen Hund nur wenige Tage nach seinem Eintreffen zu vermitteln. Viele Verhaltensauffälligkeiten und Probleme eines Hundes treten erst nach geraumer Zeit zu Tage. Ein Hund könnte bissig sein, keine Kinder mögen, keine Männer, Allergien haben und vieles vieles mehr. Die Verantwortung einer Pflegestelle ist es, diese Dinge herauszufinden, zu dokumentieren und potentiellen Interessenten unbeschönigt mitzuteilen.
Wenn man Probleme nicht mitteilt, von denen man aufgrund der kurzen Zeit nichts weiss, die man aber mit mehr Zeit hätte in Erfahrung bringen können, muss man sich meiner Meinung nach den Vorwurf des Betrugs machen lassen. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass irgend jemand in diesem Verein absichlich Leute betrügen will. Aber wie in diesem Verein mit der Einschätzung und Kritik umgegangen wird, das ist auf jeden Fall grob fahrlässig und unseriös.
Man könnte nun entgegnen, dass Annie vielleicht eine Ausnahme war, ein Ausrutscher einer Pflegestelle, ein Einzelfall. Das ist es nicht, wir haben die Facebookgruppen des Vereins eine längere Zeit verfolgt. Es findet geradezu ein Wettbewerb statt, wer als erstes seinen Pflegehund vermittelt hat. Der Rekord, den wir bisher beobachten konnten, lag bei 3 Tagen.
Eine weitere Sache ist der sogenannte “Übernahmevertrag”: ein Volksfest für jeden Juristen. Obwohl man den Hund kauft, bleibt er laut diesem Vertrag weiter Eigentum des Vereins. Eine solche Klausel ist mit dem deutschen Recht überhaupt nicht vereinbar. Der Verein räumt sich auch das Recht ein, die Räumlichkeiten des Übernehmers zu betreten, um die Haltung zu überprüfen. Auch das ist ganz klar weit weg vom deutschen Recht. In dem Vertrag gibt es noch unzählige weitere derartiger Klauseln. Wenn man danach googelt, findet man mehrere Gerichtsurteile, in denen gegen solche Verträge erfolgreich geklagt worden ist. Warum der Verein trotzdem weiter mit solch veralteten Unterlagen arbeitet, ist aus meiner Sicht nicht rational erklärbar. Und es ist peinlich.
Gut - wir haben diesen Vertrag unterschrieben. Aber ganz ehrlich: da waren vier Erwachsene, mehrere Hunde, es wurde laut durcheinander geredet und man bekommt im Tierheim oft ganz ähnliche Verträge. Ich habe das daher vor Ort nur überflogen und auf den ersten Blick sah das alles stimmig aus. Und man hat es ja auch mit einem offiziellen Tierschutzverein zu tun, dem man automatisch einen grossen Vertrauensvorschuss entgegen bringt. Wie dem auch sei, rechtlich bindend ist der Vertrag natürlich nicht, Annie ist und bleibt unser Eigentum und wir würden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, sollte der Verein auch nur daran denken, sich an ihr zu vergreifen.
Hier mal ein Beispiel, wie man Tierschutz auch anders machen kann:
Der Verein, der sowas tut, nennt sich Let’s Adopt International. Die nehmen kranke Tiere auf, behandeln sie bis sie vermittelbar sind, suchen neue Halter und bringen die Tiere dann zu den neuen Haltern. Wenn es sein muss auch mit dem Flieger einmal um die halbe Welt. Und die tun das alles auf ihre Kosten, als Übernehmer muss man nichts bezahlen, ausser einer freiwilligen Spende. Die Rettung, Behandlung und Vermittlung von Tieren ist hier kein Geschäft, sondern eine Mission.
Bei allem Negativen möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass Annie viele liebenswerte Seiten hat. Sie ist eine Schmuserin vorm Herrn. Decke hoch, schwupps ist sie drunter, kuschelt sich ein und pennt. Sensationell. Sie läuft für ihr Leben gern. Diese aus ihr heraussprudelnde pure Lebensfreude, wenn sie wie ein Wirbelwind auf einen zurennt, lässt niemanden kalt. Annie macht auch eine Menge unmöglicher Geräusche, die wir noch nie bei einem Hund gehört haben. Es gibt regelmäßig einen Grund, sich schlapp zu lachen. Sie schnarcht wie ein alter Rottweiler. Und sie schmatzt wie ein Kamel - ach was, wie zehn Kamele!
Annie ist einfach unser Mäusschen und mit Finlay zusammen sind es nun zwei Mäuschen, die wir haben. Beide mit ihrem Gepäck, das sie zu tragen haben und wobei wir sie bis an ihr Ende begleiten werden.
Zum Abschluss hier noch ein paar mehr Bilder von unserer Annie (die ich übrigens nach Hilde umbenennen wolte, aber überstimmt worden bin):
Finlay
Finlay is seit Dezember 2016 bei uns. Er kommt aus einer Tötungsstation im Ausland. Wir trainieren viel, Schmusen viel und sind happy mit ihm. Hier ein paar erste Bilder:
2017-06-12 - Ein Küschen für die (grosse!) Dame:
2017-06-12 - So gut muss man es haben:
2017-05-14 - Training, Training, Training: