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Was übrig bleibt
“Wirklich bedauerlich” blaukräuselte die alte Botschafterin während sie die in der aufgehenden Sonne knisternden Reste Berlins betrachtete, schließlich mit ihrer fünftrechten Tentakel das Bugfenster schloss und Schub gab, um den herzerreissend schönen Planeten das letzte Mal zu verlassen. Das Vaterschiff meldete sich: “Und, wie ist Deine Prognose, Rimaka?”.
Sie drehte sich zum Sensor und musterte zurück: “Sie werden aussterben. Dreihundertneunzig thermonukleare Explosionen haben wir gezählt. Es gab mehrere Tsunamikaskaden. Über neunzig Prozent der Lebewesen an Land wurden vernichtet. Wir haben hier nichts mehr zu tun.”. Helle grüngelbe Wellen signalisierten: “Aber es besteht noch Hoffnung, hat es geheißen?”.
“Ja, in den Meeren leben mehrere Arten Kopffüsser. Nicht sonderlich intelligent, aber mit Potential. Das wird aber noch viele Millionen hiesige Jahre dauern, bis sich ein erneuter Besuch lohnen wird.”, antwortete sie sichtlich niedergeschlagen. Über zehn Jahre aufwändige Forschungsarbeit hatte sie für die Vorbereitung des Erstkontakts bislang investiert - jedoch war alles umsonst gewesen, der Krieg der Landläufer war die furchtbarste Dummheit, der beizuwohnen sie gezwungen gewesen war. “Aber die Inhalte des Datennetzes der Wesen konntest Du noch sichern?”, erkundigte sich das Vaterschiff mit lilabraunen Senkrechtmustern, die sie wohl trösten sollten. Rimaka wedelte ungehalten mit der zweitlinken Tentakel: “Da war nicht viel zu holen, das Netz war erst 50 hiesige Jahre alt. Ich habe den Kristall nicht einmal zu 5 Prozent gefüllt.”. Damit beendete sie die Verbindung.
Die Botschafterin blickte auf die immer kleiner werdende blaue Kugel zurück und schüttelte sich enttäuscht. Wieder eine Spezies mit hohem Potential, einer wunderbaren Kunst, erstaunlicher Kreativität und einem herrlichen Humor - verloren. Sie hatten schon so viele solcher Ereignisse beobachten müssen. Und doch war es jedesmal deprimierend.